Kapitel 5
EL Niño und seine Auswirkungen auf die Weltwirtschaft
El Niño mit seinen verheerenden Folgen (2.
Kapitel) beeinflusst am stärksten die Volkswirtschaften
der Länder im Pazifikraum. Jedoch von da ausgehend auch
die Weltwirtschaft, da die Industrieländer stark auf die
Rohstoffe wie Fisch, Kakao, Kaffee, Getreide, Sojabohnen
aus Südamerika, Australien, Indonesien usw. angewiesen
sind.
So steigen die Preise dieser Rohstoffe bei gleichbleibender
Nachfrage stark an, da ein Defizit dieser auf dem Weltmarkt
entstanden ist. Das Defizit wurde durch Mißernten verursacht.
Durch das Defizit dieser Grundnahrungsmittel auf dem Weltmarkt
müssen Firmen, die diese als Ausgangsprodukte verwenden,
einen wesentlich höheren Preis als sonst bezahlen. Die
ärmeren Länder, die auf den Export dieser Rohstoffe
stark angewiesen sind, werden wirtschaftlich gesehen sehr stark
beeinträchtigt. Denn durch größere Exporteinbußen
kommen die nationalen Volkswirtschaften dieser Länder gehörig
ins Wanken. Man kann also sagen, dass die von El Niño
in Mitleidenschaft gezogenen Länder mit ihrer meist armen
Bevölkerung (Südamerikanische Länder, Indonesien
usw. ) in eine bedrohliche Situation geraten sind. Und die Leidtragenden
sind die am Existenzminimum lebenden Menschen.
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27.Durch Dürrekatastrophen z.B in Australien
werden ganze Maisernten vernichtet, was auf dem Weltmarkt
nicht ohne Folgen bleibt.
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So wurde z.B. 1998 in Peru ein Produktionsrückgang von
Fischmehl - dem wichtigsten Exportprodukt - um 43% erwartet,
was umgerechnet 1,2 Milliarden Dollar weniger Einnahmen bedeutete.
Eine ähnliche, wenn auch nicht derart drastische Situation
findet man in Australien vor, da durch anhaltende Dürreperioden
die Getreideernten vertrocknet sind. Hier wird mit einem Getreideexportverlust
von 1,4 Milliarden Dollar für 1998 gerechnet, welcher durch
eine magere Getreideernte von nur 16,2 Millionen Tonnen (Vorjahr
23,6 Mio. Tonnen) verursacht wurde. Australien ist gegenüber
Peru und anderen südamerikanischen Ländern nicht in
der gleichen Härte betroffen, da es eine wesentlich stabilere
und nicht von der Getreideproduktion abhängende Volkswirtschaft
hat.
In Australien sind ebenso die Industrie, Viehzucht, Metall,
Kohle, Wolle und natürlich der Tourismus wichtige Wirtschaftszweige,
welche man in Peru nicht so expansiv findet. Außerdem
ist der australische Kontinent nur teilweise von El Niño
betroffen und kann die in der Getreideindustrie entstandenen
Verluste in anderen Bereichen wieder ausgleichen. Dies ist in
Peru kaum möglich. Denn Peru, das 17% des Exports durch
Fischmehl und Fischöl deckt, ist durch die schlechten Fangquoten
in seinem wichtigsten Wirtschaftsbereich empfindlich getroffen.
In Peru wird demnach die nationale und in Australien nur die
regionale Wirtschaft in verschiedenen Bereichen von El Niño
geschwächt.
Genau genommen kann man auch Australien, ein Industrieland,
nicht mit dem Entwicklungsland Peru vergleichen. Diesen
Unterschied muss man sich klar machen, wenn man die einzelnen
von El Niño betroffenen Länder anschaut. So kommen
weitaus weniger Menschen in Industrie- als in Entwicklungsländern
bei Naturkatastrophen ums Leben, da die Infrastruktur, die Nahrungsversorgung
und die medizinische Versorgung dort besser sind.
Ebenso von El Niño betroffen sind die von der Finanzkrise
in Ostasien geschwächten Länder Indonesien und die
Philippinen. Indonesien, welches einer der weltgrößten
Kakaoexporteure ist, rechnet mit Milliardenverlusten durch El
Niño.
Anhand der Beispiele von Australien, Peru, Indonesien kann man
sehen, wie stark die Volkswirtschaften und die Menschen dort
von El Niño und seinen Folgen in Mitleidenschaft
gezogen werden. Jedoch ist das Finanzielle nicht das Wichtigste
für die Menschen. Viel wichtiger ist, dass die Nahrungs-,
Strom- und medizinische Versorgung in solch turbulenten Zeiten
zuverlässig funktioniert. Dies ist aber ebensowenig gewährleistet,
wie der Schutz der Dörfer, Felder, Äcker, Straßen
vor drohenden Naturkatastrophen - z.B. heftige Überschwemmungen.
So sind die Peruaner, welche großteils in spärlichen
Schilfhütten wohnen, lebensbedrohlich durch plötzliche
Regenfälle und Erdrutschen gefährdet.
Kleine Wirtschaftsbilanz von Peru und Australien im
Vergleich
|
Peru
|
|
Australien
|
|
Ausl.
Verschuldung: |
22623
|
Mio.$
|
180,7
|
Mrd.
$
|
Import: |
5307
|
Mio.$
|
74,6
|
Mrd.
$
|
Export: |
4421
|
Mio.$
|
67
|
Mrd.
$
|
Tourismus:
(Gäste) |
216
534
|
Mio.
|
3
|
Mio.
|
(Einnahmen): |
237
|
Mio.$
|
4776
|
Mio.
|
Landesfläche: |
1
285 216
|
km²
|
7
682 300
|
km²
|
Bevölkerung: |
23
331 000
|
Einwohner
|
17
841 000
|
Einwohner
|
BSP: |
1890
|
$
je Einwohner
|
17
980
|
$
je Einwohner
|
Die Regierungen dieser betroffenen Länder haben aus den
letzten El Niño- Ereignissen gelernt und trafen beim
El Niño 97/98 rechtzeitig Vorbeugungsmaßnahmen
und klärten die Bevölkerung über die bevorstehenden
Katastrophen auf (4.Kapitel). So wurde
z.B. in Teilen von Afrika, welche durch Dürre gefährdet
sind, den Bauern kurz nachdem das El Niño- Phänomen
vorausprognostiziert war, empfohlen Getreide anzubauen. Dieses
Getreide sollte hitzeresistent und ohne viel Wasser gedeihen
können. In den Überschwemmungsgebieten wurde hingegen
den Landwirten geraten Reis oder ähnliches im Wasser wachsende
Gewächs anzubauen. Durch diese Präventionsmaßnahmen
können die gefürchteten Katastrophen nicht verhindert
werden, jedoch kann zur Schadensminimierung beigetragen werden.
Dies kann erst seit einigen Jahren zuverlässig praktiziert
werden, da die Wissenschaftler bislang noch nicht die technischen
Möglichkeiten hatten, um genaue Vorhersagen zu machen.
Die Regierungen einiger mächtiger Länder wie USA,
Japan, Frankreich und Deutschland haben nach den letzten großen
El Niño- Katastrophen 82/83 große Summen Geld in
die El Niño- Forschung investiert, um für kommende
El Niños bestmöglich gerüstet zu sein.
Besonders stark von El Niño betroffene Länder,
welche noch zusätzlich schwache Volkswirtschaften haben
(z.B. Peru, Indonesien und einige lateinamerikanische Länder),
werden mit Geldern und großzügigen Krediten unterstützt.
So erhielt z.B. Peru im Oktober 1997 von der Weltbank und der
Interamerikanischen Entwicklungsbank Kredite in Gesamthöhe
von 250 Millionen Dollar. Mit diesem Geld, so hatte der peruanische
Präsident angekündigt, sollten 4000 Notunterkünfte
für obdachlos gewordene Familien aus den Überschwemmungsgebieten
gebaut werden. Außerdem sollte ein Notstromnetz im Land
aufgebaut werden, welches dann in den Katastrophengebieten eine
zuverlässige Stromversorgung garantieren soll.
Ein ganz anderer Ort, an dem riesige Geldsummen bewegt werden
und El Niño darauf enormen Einfluss hat, ist die Chicagoer
Warenterminbörse. Dort werden Nahrungsmittel weltweit gehandelt.
Es wird hier also mit Agrarprodukten spekuliert. Diese Agrarprodukte
werden jedoch erst im nächsten Jahr geerntet und existieren
bei Vertragsabschluß noch nicht. Deshalb sind die Börsenbroker
sehr auf das zukünftige Wetter angewiesen, um abschätzen
zu können, ob z.B. die Weizenernte wetterbedingt üppig
oder mager ausfällen wird. Dies hat dann Einfluss auf den
Preis, mit dem die Nahrungsmittel gehandelt werden.
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Die Warenterminbörse in Chicago
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In einem El Niño- Jahr ist das Wetter viel unberechenbarer
als gewöhnlich. Deshalb gibt es große Börsenhäuser,
welche aus diesem Grund speziell Meteorologen angestellt haben,
um die neuesten El Niño- Entwicklungen errechnen zu lassen.
Ziel dieser Maßnahme ist es, einen entscheidenden Informationsvorsprung
gegenüber den anderen Börsenhäusern zu haben.
Denn es ist von größter Wichtigkeit zu wissen, ob
z.B. die Weizenernte in Australien wegen der andauernden Trockenheit
und den ausbleibenden Regenfällen verdörrt oder
nicht. Denn in einem Jahr, in dem die Weizenernte in Australien
geringer ausfallen wird, steigen die Weizenpreise stark an.
Ebenso wissenswert ist, ob es innerhalb der nächsten zwei
Wochen an der Elfenbeinküste regnen wird oder nicht. Denn
im Falle einer weiteren Dürreperiode, würde der Kakao
noch am Strauch vertrocknen.
Solche Informationen sind für Spekulanten sehr wichtig
und noch wichtiger ist, dass sie diese vor ihren Konkurrenten
erhalten. Deshalb sind die El Niño- Meteorologen extra
engagiert worden. Mit den exklusiven Neuigkeiten können
die Broker dann vielversprechende Handelsverträge abschließen
und müssen hoffen, dass die El Niño- Prognosen gestimmt
haben. Denn die Meteorologen haften nicht für falsche Informationen.
Das Ziel der Broker ist es, z.B. eine Weizen- oder Kakaoladung
möglichst billig zu kaufen, um sie zu einem späteren
Zeitpunkt zum höchst möglichen Preis wieder weiter
zu verkaufen. Der dabei entstandene Gewinn oder Verlust bestimmt
dann die Höhe des Brokergehalts.
Das Hauptthema der Börsenbroker an der Chicagoer Warenterminbörse
und weiteren Börsen ist deshalb in solch einem Jahr El
Niño und nicht wie sonst Football. Die Broker haben aber
ein recht merkwürdiges Verhältnis zu El Niño:
Sie sind froh über die von El Niño verursachten
Katastrophen. Denn durch die Knappheit einzelner Rohstoffe
steigen deren Preise und hohe Gewinne können realisiert
werden. Vorgesetzt, die Broker haben rechtzeitig die richtigen
Termingeschäfte abgeschlossen!
Auf der anderen Seite müssen die Menschen in den betroffenen
Gebieten verhungern oder verdursten. Ihre mühevoll aufgebauten
Existenzen werden kurzerhand durch einen Wirbelsturm oder einen
Regenguss zerstört und die Börsianer nehmen dies ohne
Mitgefühl wahr. Sie sehen dabei nur den daraus entstehenden
finanziellen Profit und ignorieren die moralischen und ethischen
Aspekte. Man kommt bei solchem Handeln nicht um den Gedanken
herum, dass hierbei das menschliche Leben weniger zählt
als Geld!
Ein weiterer wirtschaftlicher Aspekt, welcher von El Niño
verursacht wurde, sind die völlig überlasteten Dachdeckerunternehmen
in Kalifornien. Denn viele Menschen in den von Flutwellen und
Hurrikans gefährdeten Gebieten, haben aus Vorsicht oder
Angst ihre Häuser - insbesondere ihre Dächer - ausbessern
und verstärken lassen. Diese Auftragsflut kam der Bauindustrie
gerade recht, da nun ihre Auftragsbücher seit längerer
Zeit wieder voll sind. Diese zum Teil hysterischen Vorbeugungsmaßnahmen
vor den bevorstehenden El Niño- Katastrophen fanden vor
der Jahreswende 97/98 - dem El Niño- Saison- Höhepunkt
- statt.
Man kann also sehen, dass El Niño mit seinen Folgen
die unterschiedlichsten Auswirkungen auf die nationalen Volkswirtschaften
einzelner Länder hat. Desweiteren beeinflusst er sogar
die Weltwirtschaft, was sich durch die schwankenden Nahrungsmittelpreise
an den Warenterminbörsen erkennen lässt. Dies hat
dann schließlich Auswirkungen auf uns Konsumenten in der
ganzen Welt.
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