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Zu diesen zwei Extremen kommt es, durch die ins Stocken geratene Pazifikzirkulation, welche im Normalfall kaltes Wasser vor der Westküste Südamerikas aufsteigen und warmes Oberflächenwasser vor Südostasien absinken lässt. Durch die rückläufige Zirkulation in einem El Niño- Jahr findet man genau die umgekehrte Situation vor: kaltes Wasser vor südostasiatischen Küsten und überdurchschnittlich warmes Oberflächenwasser vor Mittel- und Südamerikas Westküste. Der Grund dafür ist, dass der Südostpassat aussetzt oder sogar in die umgekehrte Richtung bläst. Er schiebt die warmen Wassermassen nicht mehr wie bisher vor sich her, sondern lässt diese in einer Wellenbewegung (Kelvinwelle) nach Südamerika zurückschwappen. Der Grund dafür ist der 60 cm höhere Meeresspiegel vor Südostasien gegenüber Südamerika. Die entstandene Warmwasserzunge im äquatorialen Westpazifik ist etwa zweimal so groß, wie die Landfläche der USA. Über dieser Fläche entsteht schnell eine große Wasserverdunstung, woraus sich ausgedehnte Wolkenbänder mit großem Niederschlagsvolumen bilden können. Die Wolkenbänder bewegen sich durch Westwinde vorangetrieben
in Richtung der südamerikanischen Westküste, wo sie
dann anfangen mit großer Wucht abzuregnen. Der Großteil
der Niederschläge geht vor den Anden über den Küstenregionen
nieder. Denn zur Überquerung der hohen Gebirgskette müssen
die Wolken leicht sein. Es finden auch im Landesinnern
von Südamerika noch starke Niederschläge statt. So
stürzten z.B. in der paraguayischen Stadt Encarnacion
um die Jahreswende 97/98 innerhalb von fünf Stunden 279
Liter Wasser pro Quadratmetern vom Himmel. Ähnliche Regenfälle
haben auch die anderen gefährdeten Gebiete überschwemmt,
so z.B. Itaqui in Südbrasilien. Die Flüsse traten
über ihre Ufer und lösten zahlreiche Erdrutsche aus.
Die Menschen in diesen Regionen waren machtlos und mussten mit
ansehen wie ihre Häuser zerstört wurden. So sind innerhalb
weniger Wochen um den Jahreswechsel 97/98 - der Höhepunkt
der von El Niño verursachten Wetterkapriolen -, 400 Menschen
umgekommen und 400 000 obdachlos geworden.
Genau das gegenteilige Szenario spielt sich in den Dürregebieten ab. Hier kämpfen die Menschen um den letzten Tropfen Wasser und müssen dennoch wegen der konstant anhaltenden Trockenheit sterben. Besonders lebensbedrohlich ist die Trockenheit für die Stammesangehörigen von Naturstämmen (Ureinwohnern) in Australien und Indonesien. Denn sie leben abseits der Zivilisation und sind auf den Monsunregen und die natürlichen Wasservorkommen angewiesen, welche sich jedoch wegen El Niño verspäten bzw. austrocknen. Außerdem sind sie durch die außer Kontrolle geratenen Buschbrände gefährdet, die in Normaljahren von tropischen Regenfällen (Monsun) gelöscht werden und somit nicht zu bedrohlichen Flächenbränden ausarten können. Auch die Farmer in Australien sind betroffen und müssen wegen der Wasserknappheit ihre Viehherden durch Notschlachtung verkleinern. Wegen der abnehmenden Quantität des Wassers geht es sogar soweit, dass Beschränkungen des Wasserverbrauchs erlassen worden sind. Selbst die Großstadt Sydney war davon betroffen.
Außerdem werden große Ernteausfälle befürchtet,
so dass die Weizenernte von 23,6 Mio. Tonnen (1997) auf 16,2
Mio. Tonnen (1998) sinken dürfte. Diese Zahlen wurden von
Wirtschaftsexperten für Australien errechnet. Eine weitere
Gefährdung der Bevölkerung besteht in der Verschmutzung
des Trinkwassers durch Bakterien und Blaualgen, wodurch schlimme
Seuchen auftreten können. Diese Seuchengefahr besteht übrigens
auch in den Überschwemmungsgebieten. Neben diesen zwei häufig in El Niño- Jahren anzutreffenden
Wetterkatastrophen gibt es noch weitere in anderen Regionen.
So ist Kanada insofern von El Niño betroffen, dass ein
warmer Winter voraus prognostiziert wird, da dies bei vorigen
El Niños der Fall war. Mexiko ist durch eine größere
Anzahl von Hurrikans betroffen, welche erst über mindestens
27°C warmen Wasser entstehen können. Sie können
ungehindert über dem von El Niño erwärmten
Oberflächenwasser entstehen, was sonst nicht oder sehr
selten der Fall ist. So richtete der Hurrikan Pauline im Herbst
1997 verheerende Schäden an.
Mexiko wird zudem, wie auch Kalifornien, von heftigen Unwettern heimgesucht. Diese treten in Gestalt von orkanartigen Stürmen und lang anhaltenden Regenperioden auf. Die Folgen davon können Schlammlawinen und verherrende Überschwemmungen sein. Die Unwetter hinterlassen meist eine unübersehbare Spur der Verwüstung. Die niederschlagsreichen Wolkenbänder, welche vom Pazifik her kommen, regnen über den westlichen Anden besonders stark ab. Anschließend können sie die Anden in östlicher Richtung überqueren und bewegen sich dann in Richtung südamerikanischer Ostküste. Diesen Vorgang kann man folgendermaßen erklären: Durch intensive Sonneneinstrahlung findet über dem warmen
Oberflächenwasser starke Verdunstung statt und große
Wolkenbänder entstehen. Bei weiterer Wasserverdunstung
bilden sich daraus riesigen Regenwolken. Diese beginnen anschließend
- durch leichten Westwind vorangetrieben - über dem Küstenstreifen
heftig abzuregnen. Je weiter sich die Wolken ins Landesinnere
bewegen, desto weniger Wasser enthalten sie, da über dem
trockenen Land kaum Wassernachschub erfolgt. So finden in Richtung
Osten immer weniger Regenfälle statt. Die Luft kommt nun
im Osten von Südamerika trocken und warm an und ist somit
wieder in der Lage Wasser aufzunehmen. Dies kommt daher, dass
beim Abregnen der Wolken große Energiemengen frei werden,
welche bei der Verdunstung benötigt wurden, und somit die
Luft stark erwärmt wird. So lässt diese warme und
trockene Luft mit Hilfe von Sonneneinstrahlung die restlichen
Wasservorkommen verdunsten und trocknet dadurch große
Teile des Landes stark aus. Es kann so eine Dürreperiode
entstehen, welche mit Mißernten und Wasserknappheit verbunden
ist.
Dieses für Südamerika größtenteils zutreffende Schema erklärt hingegen nicht die überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen in Mexiko, Guatemala und Costa Rica im Vergleich zum benachbarten lateinamerikanischen Land Panama, welches unter Wassermangel und der damit verbundenen Austrocknung des Panamakanals leidet. Die konstant anhaltende Trockenheit und die dadurch verursachten
Buschbrände in Indonesien und Australien sind auf das kalte
Meeresoberflächenwasser im Westpazifik zurückzuführen.
Denn durch das sich gewöhnlich im Westpazifik befindliche
warme Oberflächenwasser wird eine starke Wolkenbildung,
wie es jetzt im Ostpazifik der Fall ist, ermöglicht und
vorangetrieben. Dies ist in Südostasien jetzt nicht der
Fall und so bleiben die dringend benötigten Regenfälle
und der Monsun aus. Deshalb werden die gezielt gelegten Buschfeuer
zur Gewinnung neuer fruchtbaren Landflächen nicht wie gewöhnlich
vom Monsunregen gelöscht, sondern geraten außer Kontrolle.
Als Folge davon umgibt eine riesige Smogglocke die indonesischen
Inseln und Teile von Australien.
Es bleibt bisweilen ungeklärt, warum in Südostafrika
(Kenia, Somalia) heftige Regenfälle und riesige Überschwemmungen
durch El Niño verursacht werden. Denn diese Länder
liegen am Indischen Ozean und sind damit weit vom Pazifik entfernt.
Diese Tatsache lässt sich teilweise damit erklären,
dass der Pazifische Ozean die riesige Energiemenge von über
300 000 Atomkraftwerken (fast eine halbe Milliarde Megawatt)
speichert. Sie wird beim Verdunsten benötigt und beim Abregnen
in anderen Regionen wieder freigesetzt. So gelangen in einem
El Niño- Jahr große Wolkenbänder, die durch
Winde in der Atmosphäre bewegt werden, in weit entfernte
Gebiete. Diese Wolkenbänder geraten erst durch das Energieüberangebot
in Bewegung.
Durch die in diesem Kapitel genannten Beispiele wird deutlich,
dass die Auswirkungen von El Niño nicht einfach zu erklären,
sondern sehr differenziert zu betrachten und zu verstehen sind.
Die Auswirkungen von El Niño sind unverkennbar und von
unterschiedlichster Erscheinung. Hinter den dafür verantwortlichen
atmosphärisch-ozeanischen Abläufen steckt eine ungeheure
Energiemenge, welche diese verheerenden Katastrophen verursacht.
Während einer El Niño- Periode wird eine Energiemenge
von ungefähr 300 000 Atomkraftwerken umgesetzt. |
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