Natürliche und anthropogene Gefährdungen der Korallenriffe
Der Lebensraum Korallenriff mit all seinen Bewohnern ist eine
äußerst gut funktionierende Lebensgemeinschaft. Es
gibt jedoch eine Reihe von Freßfeinden und Raumkonkurrenten,
welche dieses ökologische Gleichgewicht durcheinander bringen
können. Neben den natürlichen Gefährdungen, welche
gewöhnlich kein Korallenriff restlos zerstören, gibt
es die vom Menschen verursachten (anthropogen) Veränderungen.
Sie bringen nicht nur das natürliche Gleichgewicht durcheinander,
so dass z.B. auf einmal mehr Freßfeinde als gewöhnlich
in einen Raum leben, sondern verursachen auch eine Reihe von
neuen, allein auf den Menschen zurück zuführenden
Gefährdungen.
So findet man die meisten Tiere, welche das lebende Gewebe
der Korallen fressen, unter den Mollusken (Weichtiere), den
Echinodermen (Stachelhäuter) und den Fischen. Die Schnecken,
welche zur Klasse der Weichtiere gehören, sind überaus
aktive Korallenfresser. Hierbei kann man zwischen festsitzenden
und sich frei beweglichen Schnecken unterscheiden. Die festsitzenden
lassen sich vom Korallenskelett umwachsen und beginnen dann
die Nahrungsressourcen der Korallen auszubeuten. Diese Art der
Korallenzerstörung ist keineswegs so gefährlich, wie
die der frei beweglichen Schnecken. Jene schließen sich
zu meterlangen Fraßfronten zusammen und weiden systematisch
ganze Korallenstöcke ab.
Weitere gefräßige Korallenfeinde sind die Seesterne
(Stachelhäuter). Der bekannteste Seestern, der in den sechziger
Jahren für großes Aufsehen gesorgt hat, ist der Dornenkronen-Seestern
(Acanthaster planci). Er wurde damals als "giftig-stachliges,
riffzerstörendes Monster" beschrieben und richtete sein
Unheil an einem viel besuchten Riff des Großen Barriereriffs
(bei Australien) an. Obwohl in einem Jahr mehr als 27.000 Dornenkronen-Seesterne
eingesammelt und vernichtet wurden, fielen dennoch 90 % der
lebenden Korallen an diesem Riff den Seesternen zum Opfer. Die
bis zu 60 cm großen Dornenkronen-Seesterne verzehren und
raspeln die Korallenriffe großflächig ab.
Eine Tritonschnecke frisst einen Dornenkronen-Seestern
Der Grund für das verstärkte Auftreten dieser Korallenfeinde
lässt sich einerseits auf das Wegfischen der natürlichen
Feinde - den Raubfischen - durch die Fischereiindustrie zurückführen.
Und anderseits auf das illegale Plündern der Tritonshorn-Bestände
(Charonia tritonis), eine von Sammlern sehr begehrten Schnecke,
deren Hauptbeute der Dornenkronen-Seestern ist. Die Schnecken
werden aus kommerziellen Gründen vielerorts von den einheimischen
Bewohnern im großen Mengen gefangen und weiterverkauft.
Durch diesen Eingriff der Menschen in das Jahrhundertmillionen
intakte ökologische Gleichgewicht der Korallenriffe, wird
das ausbalancierte Koralle-Seestern-System aus dem Gleichgewicht
gebracht und Extremsituationen mit verheerenden Folgen können
eintreten. Dieses Szenario beschränkt sich keineswegs auf
das genannte Beispiel, sondern kann in veränderter Form
erneut auftreten.
Der Papageifisch ist unter den Fischen der gefürchteste
Korallenfeind. Er ist jedoch nicht so gefährlich für
die Riffbestände wie der Dornenkronen-Seestern. Mit seinen
schnabelartigen Zähnen zerknabbert er ganze Korallenzweige.
Als Überbleibsel scheidet er große Mengen Feinsand
aus, da er die aufgenommene Menge wertlosen Kalks nicht verwerten
kann. Da der größte Teil seiner Nahrung aus Kalk
und weniger aus verwertbaren Substanzen besteht, ist der Papageifisch
dauernd am fressen.
Eine weitere große Gruppe der Korallenfeinde sind die
bohrenden Organismen. Zu ihnen zählt man einige Muscheln,
verschiedene Algenarten und die Bohrschwämme.
Gelbe Bohrschwämme durchwuchern eine mächtige Hirnkoralle
Die Bohrschwämme sind die schlimmsten dieser Riff zerstörenden
Meeresbewohner. Sie besiedeln sowohl abgestorbene als auch lebende
Korallenstöcke und bohren millimetergroße Gänge
in das kalkhaltige Korallenskelett. Äußerlich sind
nur stecknadelgroße gelbe, grüne oder rote Punkte
von den Bohrschwämmen zu sehen. Die Ausgänge, welche
wie Luftschächte eines Bergwerkes aus dem Kalk herausragen,
dienen dafür, dass frisches, sauerstoff- und närstoffhaltiges
Wasser einströmen und verbrauchtes Wasser ausströmen
kann. Doch dieses weitverzweigte Tunnelsystem wird das Korallenriff
so sehr destabilisiert, dass ein vorbeischwimmender Taucher
durch die bloße Wasserbewegung ganze Korallenzweige abreißen
kann!
Dieser kleine Überblick über die Riff-zerstörenden
Organismen zeigt, welchem Druck die Korallenriffe allein schon
von ihren natürlichen Feinden ausgesetzt sind. Wenn sich
dann der Mensch noch einmischt und mit weiteren schädlichen
Einflüssen das ökologische Gleichgewicht stört,
kann ein Ausbleichen oder Absterben der Korallen erfolgen.
Neben diesen natürlichen Gefährdungen der Korallenriffe,
welche auch zunehmend vom Menschen beeinflusst werden können
(siehe Dornenkronen-Seesterne), gibt es natürlich auch
die ausschließlich anthropogenen Umweltveränderungen.
Durch das exponentielle Bevölkerungswachstum auf unserer
Erde besteht zunehmend ein Platzproblem auf ebendieser. Dieses
rein menschlich anmutende Problem betrifft jedoch auch die Korallenriffe.
Denn gut zwei Drittel der Weltbevölkerung lebt heute in
einem schmalen Landstreifen, der weniger als 60 km vom Meer
entfernt ist. Die anhaltende Bevölkerungskonzentration
im Küstenbereich betrifft besonders die Länder der
Dritten Welt. Hier stellen die Korallenriffe eines der wichtigsten
und zugleich empfindlichsten Küstenökosysteme dar.
Die Riffgemeinschaften werden durch die Abholzung der küstennahen
Wälder und den darauf errichteten Bauten, wie z.B. Häfen,
Tourismusanlagen usw, in ihrem Lebensraum stark beeinflusst.
Durch diese Bautätigkeiten ist keine Vegetation mehr vorhanden,
welche die Abschwemmung des Bodens durch heftige Regenfälle
verhindert. So gelangen durch Bodenerosion große Sedimentmengen
ins Meer, welche die Korallenriffe bedecken. Durch den zunehmenden
Schiffsverkehr in diesen Gebieten werden infolge von Sedimentaufwirblungen
die Korallenriffe zusätzlich mit Sediment bedeckt.
Dieses Abschwemmen der Böden infolge nicht nachhaltiger
Landbau- und Forstpraktiken ist zusätzlich mit dem Einleiten
von Abwässern verbunden. So werden oftmals riesige Mengen
an industriellen und häuslichen Abwässern, welche
oft sehr nährsalzhaltig sind, ins Meer gespült. Die
empfindlichen riffbauenden Polypen werden durch das schlammige
Sediment erstickt und sterben ab. Außerdem vertragen die
auf klares, nährstoffarmes Wasser eingerichteten Organismen
die plötzliche Flut an Schmutzfrachten nicht, mit welcher
sie durch die Abwässer aus den Küstengebieten überdeckt
werden.
Diese Weichkorallen sind Raumkonkurrenten von Steinkorallen
Eine weitere Möglichkeit der Riffzerstörung kann
so ablaufen, dass fleischige Grün- und Braunalgen, welche
bisher im Riff kein Rolle spielten, durch die veränderte
Nahrungssituation die lichtbedürftigen Korallen überwuchern.
Sie überwachsen die Steinkorallen und bilden auf Dauer
stabile Lebensgemeinschaften, so dass die Steinkorallen ihren
ursprünglichen Lebensraum oftmals nie wieder besiedeln
können. Diese Algen und weitere Raumkonkurrenten, wie Schwämme
(insbesondere Bohrschwämme), profitieren sehr von diesen
anthropogenen Umweltveränderungen.
Eine sehr spektakuläre Vernichtung ganzer Korallenriffe
findet durch die Ölverschmutzung havarierter Tanker statt.
Der Ölteppich verklebt die Korallenpolypen, woraufhin diese
nach kurzer Zeit verenden. Sie ersticken regelrecht am schmierigen
Öl.
Das Bevölkerungswachstum in den tropischen Küstengebieten
führt nicht nur zur erwähnten chronischen Sedimentationsbelastung
der Korallenriffe durch Abholzung der Küstenvegetation,
sondern auch zur Überfischung der Meere und der damit verbundenen
Zerstörung der Korallenriffe. Am Beispiel der Philippinen
lässt sich diese Ausbeutung der Natur recht anschaulich
erklären.
Ein Taucher spritzt Natriumcyanid zwischen die Korallen, um
die Korallenfische zu betäuben.
Der Raubbau der Filipinos an den Meeresressourcen durch Dynamit-
und Giftfischerei ist durch die explosionsartige Bevölkerungszunahme
und dem damit verbundenen Niedergang der ursprünglichen
Agar- und Fischereikultur zu begründen. Aus Gründen
der schnelleren Ertragssteigerung wandten sich die Filipinos
vor etlichen Jahren der illegalen Dynamitfischerei zu. Sie hatten
jedoch mit dieser schrecklichen Fangmethode recht bald die philippinischen
Gewässer leer gefischt und suchten nach neuen Verdienstmöglichkeiten.
Heutzutage wird auch noch mit Dynamit gefischt, jedoch ist das
Geschäft wegen den geringen Fangmengen äußerst
unrentabel geworden. Eine neue Verdienstmöglichkeit besteht
darin, Korallenfische, die wegen ihrem exotischen Aussehen bei
Aquarienfreunde weltweit sehr beliebt sind, mit Gift zu fangen.
Die Korallenfische werden in den Korallenstöcken, in denen
sie sich gewöhnlich vor ihren Feinden verstecken, mit hochgiftigem
Natriumcyanid betäubt und dann eingesammelt.
Ein Giftfischer mit Beute
Die Korallenfische, die bei dieser Fangmethode völlig
hilflos sind, erleiden dabei schwere Verletzungen und überleben
oft nicht einmal den Transport zu den Aquarienfreunden. Bei
jeder Giftattacke gehen nicht nur viele Korallenfische zu Grunde,
sondern es sterben auch unzählige Korallenpolypen und andere
Riffbewohner. Durch die Dynamitfischerei, bei der durch die
heftigen Druckwellen Korallenriffe zerstört werden, und
die Giftfischerei sind die meisten der philippinischen Korallenriffe
zerstört worden. Lediglich 5 % der Riffe sind laut Experten
noch intakt, 32 % hingegen total zerstört und der Rest
ist mehr oder weniger stark geschädigt. Diesen Zahlen zufolge
sind bei gleichbleibender Zerstörung unserer marinen Schatzkammern
bald keine Korallenriffe mehr in philippinischen Gewässern
vorzufinden. Folglich würde dort der ganze Tourismus ins
Stocken gerate, da keine Tauchtouristen mehr kämen.
Auch die Tauchtouristen haben zum weltweiten Korallensterben
beigetragen. Sie treten in immer größer werdenden
Scharen auf und nehmen selten auf die filigranen Strukturen
des Korallenriffs Rücksicht. Selbst der eiserne Grundsatz
der Taucher: "Alles darf angeschaut, aber nichts darf berührt
werden", wird immer häufiger von den Abenteuer suchenden
Tauchern missachtet.
Einige von ihnen, die die Unberührtheit der Korallenriffe
suchen, hinterlassen oftmals das Riff in einem nicht wieder
erkennbaren Zustand. Jeder unachtsam oder unvorsichtig gemachte
Flossenschlag kann die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte lange
Arbeit der Korallenpolypen zerstören. Es ist daher äußerste
Vorsicht walten zu lassen, wenn man sich in der Nähe eines
Riffs aufhält, um noch vielen Menschen den wunderschönen
Anblick eines intakten Korallenriffs zu ermöglichen.
Eine sehr unverständliche Aktion veranstalteten kürzlich
die Malediven. Sie frästen riesige Kalkquader aus den Unterwasserlandschaften
der Korallenriffe heraus, welche sich vor ihrer Küste befinden.
Der Grund hierfür war, dass sie Baumaterial für den
Bau eines neuen Flughafens benötigten. So wurde der Flughafen
der maledivischen Hauptstadt Male zum Großteil aus Riffbruchstücken
gebaut. Wenige Zeit später mussten die maledivischen Verantwortlichen
als Ersatz für die abgetragenen, zu Bauschutt zertrümmerten
natürlichen Wellenbrecher vor den Malediven, kilometerlange
Barrieren aus Beton zum Schutz vor dem Meer versenken.
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