Kapitel 6
Beeinflusst EL Niño das Wettergeschehen in Europa
und wieweit ist der Mensch an dieser Klimaanomalie schuld?
Die Klimaanomalie El Niño spielt sich im Bereich des
tropischen Pazifiks ab. Es werden jedoch neben den anliegenden
Staaten, welche am meisten betroffen sind, auch weiter entfernte
Länder von El Niño und seinen Folgen beeinflusst.
Ein Beispiel für die Fernwirkungen von El Niño ist
Südwest- Afrika, welches meist während einer El Niño-
Phase von einer landesuntypischen Wettersituation heimgesucht
wird. Diese Fernwirkungen, auch Teleconnections genannt, betreffen
nicht alle Teile der Welt. Besonders die Nordhalbkugel der Erde
ist weitgehend von diesen ausgenommen. So ist es auch nach Meinungen
von führenden Wissenschaftlern mit Europa.
Europa wird allenfalls im statistischen Bereich von El Niño
gestreift, jedoch keinesfalls von unvorhergesehenen Katastrophen,
wie sintflutartigen Regenfällen, Stürmen oder Dürren
etc, heimgesucht. Dieser statistische Zusammenhang, welcher
noch nicht sicher bewiesen ist, beläuft sich nur auf eine
Temperaturerhöhung von 1/10°C. Da wir Menschen solch
eine minimale Temperaturerhöhung nicht wahrnehmen können,
sondern diese nur von hochpräzisen Meßinstrumenten
gemessen wird, ist sie nicht der Rede wert. Sie trägt auch
nicht zur globalen Klimaerwärmung bei, da andere Einflüsse,
wie z.B ein heftiger Vulkanausbruch, der weite Teile des Himmels
mit Asche verdeckt, für eine in der selben Größenordnung
liegenden Abkühlung sorgt.
Europa wird hingegen von einem El Niño- ähnlichen
Phänomen beeinflusst, welches sich im Atlantik abspielt
und entscheidenden Einfluss auf das europäische Wettergeschehen
hat. Nach Angaben des US-Meteorologen Tim Barnett ist die kürzlich
gemachte Entdeckung über den El Niño- Verwandten
die “wichtigste Erkenntnis des Jahrzehnts”. Die Parallelen zwischen
El Niño im Pazifik und seinem atlantischen Pendant sind
vielfältig. So fällt auf, dass das atlantische Phänomen
ebenfalls von Luftdruckschwankungen (hier Nordatlantische Oszillation
(NAO)), Luftdruckgegensätzen (Azorenhoch- Islandtief) und
einer Meeresströmung (Golfstrom) verursacht wird.
Anhand der Abweichung des Nordatlantischen Oszillationsindexes
(NAOI) vom Normalwert, lässt sich errechnen, ob in den
nächsten Jahren kalte, frostige oder warme, feuchte Winter
bevorstehen. Da es zur Zeit solche Rechenmodelle noch nicht
gibt, kann man keine zuverlässigen Prognosen machen. Deshalb
stehen die Wissenschaftler nun am Anfang von langwierigen Forschungsarbeiten.
Sie haben aber schon wesentliche Zusammenhänge in diesem
atlantischen Wetterkarusell verstanden und können einige
Folgen für die Zukunft ausmachen.
Der Golfstrom spielt im Zusammenspiel von Ozean und Atmosphäre
eine der entscheidenden Rollen. Er ist auch heutzutage schon
eines der wichtigsten Bestandteile des milden europäischen
Wetters. Ohne ihn würden die Klimaverhältnisse in
Europa weitaus unwirtlicher sein, als es jetzt der Fall ist.
Ist der Golfstrom stark ausgeprägt, so verstärkt sein
Einfluss die Bildung starker Luftdruckgegensätze zwischen
den Azoren und Island. In dieser Situation fachen Azorenhoch
und Islandtief die Westwinddrift zusätzlich an. Dies hat
dann zur Folge, dass die Winter in Europa mild und feucht werden.
Kühlt sich hingegen der Golfstrom stark ab, tritt der gegenteilige
Zustand ein. Der Luftdruckunterschied zwischen Azorenhoch und
Islandtief ist wesentlich geringer, sprich der NAO- Index ist
negativ. Die Folge davon ist, dass durch die wenig stark ausgeprägten
Drucksysteme die Westwinde erlahmen und sibirische Kaltluft
ungehindert nach Europa fließen kann. Diese Winter sind
dann frostig kalt. Die Schwankungen der NAO, welche das Maß
für die Druckunterschiede zwischen Azoren und Island angeben,
geben so immer an, wie ein Winter wird. Ob man nach diesem Verfahren
auch das europäische Sommerwetter vorhersagen kann, ist
noch ungewiss.
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32. Das El Niño- ähnliche Phänomen
im Altantik ist für Europas Wetter verantwortlich.
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Einige Wissenschaftler, darunter auch der Hamburger Meteorologe
Dr. Mojib Latif, sagen für die Zukunft eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit starker Stürme und Regenfälle für
Europa voraus. Zukünftig werden auch bei einem schwachen
Azorenhoch “Stürme, die normalerweise auf dem Atlantik
toben” Südwesteuropa erreichen, erklärt Dr. Latif.
Weiter vermutet er, dass bei diesem Phänomen ebenso wie
bei El Niño Umwälzungen von kalten und warmen Meeresströmungen
in unregelmäßigen Abständen eine Rolle spielen.
Das Phänomen lässt für die Wissenschaftler noch
einige ungelöste Fragen offen.
Vor zwei Jahren wurden von dem amerikanischen Klimaforscher
James Hurrell vom National Center for Atmospheric Research in
Boulder/Colorado die Werte des NAO- Index mit den tatsächlichen
Temperaturen in Europa über mehrere Jahre hinweg verglichen.
Das Ergebnis war sehr erstaunlich, da eine unverkennbare Übereinstimmung
vorlag. So stimmte z.B. der bitterkalte Winter während
des 2. Weltkriegs, die kurze Warmphase Anfang der 50er sowie
die Kalt- Periode in den 60er mit den NAO- Index- Werten überein.
Dies war gleichzeitig der Durchbruch für dieses Phänomen,
was dadurch das erste Mal unter den Wissenschaftlern Beachtung
fand. Nun wird überall in der Welt intensiv an der völligen
Aufklärung dieses Phänomens geforscht. Man kann also
überzeugt dem amerikanischen Meteorologen Tim Barnett zustimmen,
wenn er sagt, dass die Entdeckung der “Wettermaschine Europas”die
“wichtigste Erkenntnis diese Jahrzehnts” ist.
Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass Europa nicht von
El Niño beeinflusst wird, sondern vielmehr von seinem
atlantischen Pendant. Dieses ist für die zukünftige
Wetterentwicklung in Europa von größter Bedeutung
und sollte deshalb von den Wissenschaftlern in seinen Zusammenhängen
vollständig verstanden werden.
Um jetzt nun zum zweiten Teil des Kapitelthemas zu kommen,
ob nämlich der Mensch an El Niño schuld ist oder
ob sich durch seine Existenz diese Klimaanomalie verändert
hat, muss man zuerst in die Vergangenheit zurückblicken.
Denn es ist hier von großer Bedeutung, wie El Niño
in der Vergangenheit aufgetreten ist. Um so klären zu können,
ob deutliche Veränderungen in der Erscheinung durch
äußere Einflüsse stattgefunden haben oder eventuell
eintreten werden.
So hat man die ersten zuverlässigen Angaben über ungewöhnliche
Ereignisse im pazifischen Raum von den Spaniern erhalten. Diese
hatten nach der Ankunft in Südamerika, genauer gesagt in
Nordperu, vor ca. 500 Jahren die ersten El Niño- typischen
Auswirkungen wahrgenommen und zugleich dokumentiert. Weiter
zurückliegende Ereignisse sind nicht festgehalten worden,
da die südamerikanischen Ureinwohner keine schriftlichen
Dokumente hinterließen. Sich auf mündliche Überlieferungen
zu stützen ist äußerst spekulativ. So nehmen
die Wissenschaftler heutzutage an, dass El Niño in seiner
heutigen Form seit 1500 existiert. Verbesserte Forschungmethoden
und ausführlicheres Archivmaterial lassen seit 1800 die
einzelnen El Niño- Ereignisse genauer bestimmen.
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33.Auftreten von El Niño in Peru seit den
Aufzeichnungen durch die Spanier. Die El Niño-
Ereignisse werden in dieser Grafik aufeinander addiert.
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Wenn man die Intensität und Häufigkeit der aufgetretenen
El Niño- Erscheinungen in dieser Zeit betrachtet, so
fällt auf, dass sie erstaunlicherweise sehr konstant geblieben
sind. Es wurden dann durch das konstante Auftreten die Erscheinungszyklen
der verschieden starken El Niños errechnet. So beträgt
nach diesen Rechnungen die kürzeste Zeitspanne zwischen
einem starken und einem sehr starken El Niño in der Regel
6-7 Jahre. Die längsten Unterbrechungen liegen hingegen
bei 14-20 Jahren. Sehr starke Ereignisse allein folgen mindestens
zwischen 14 und höchstens 63 Jahren aufeinander.
Durch diese zwei Zahlenbeispiele wird deutlich, dass sich
das Auftreten El Niños nicht auf eine einzige Zahl festlegen
lässt, sondern vielmehr ein größerer Zeitraum
betrachtet werden muss. Diese jedesmal unterschiedlich großen
Zeitspannen zwischen den verschieden starken El Niño-
Ereignissen, ist von äußeren Einflüssen auf
das Phänomen abhängig. Sie lösen dann El Niño
ganz unerwartet aus. Diese Tatsache trägt zur Unberechenbarkeit
von El Niño bei, welche mit Hilfe von modernen Rechenmodellen
bis zu einem bestimmten Grad wieder ausgeglichen wird. Man kann
jedoch diesen entscheidenden Moment nicht vorhersagen, in dem
die erforderlichen Voraussetzungen für das Entstehen geschaffen
sind. Es werden hingegen mithilfe von Computern die nachfolgenden
Auswirkungen frühzeitig erkannt und so El Niño vor
seinem gefürchteten Auftritt angekündigt.
Wäre man heute schon so weit, dass man die nötigen
Voraussetzungen zur Entstehung El Niños, wie z.B. die
erforderlichen Wind- Wasser- Verhältnisse oder die atmosphärischen
Temperaturen kennen würde, könnte man sagen, welche
vom Menschen verursachten Veränderungen (z.B. Treibhauseffekt)
das Phänomen beeinflussen würden. Da dies nicht der
Fall ist, ist es nicht möglich eindeutige Beeinflussungen
des Menschen nachzuweisen oder auszuschließen. Es wird
jedoch unter Wissenschaftlern verstärkt die Vermutung laut,
dass insbesondere der Treibhauseffekt mit der globalen Klimaerwärmung
El Niño und seine Schwester La Niña in absehbarer
Zukunft beeinflussen könnte.
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34. Dr. Mojib Latif vom Max-Planck-Institut für
Meteorologie ist Deutschlands El Niño Experte.
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Der Treibhauseffekt, welcher von uns Menschen durch
verstärkten Ausstoß von Treibhausgasen (Kohlendioxid,
Methan...) verursacht wird, ist hingegen eine gefestigte Erkenntnis,
welche durch etliche Meßreihen bestätigt wurde. Selbst
Dr. Mojib Latif vom Max-Plank-Institut für Meteorologie
in Hamburg lässt verlauten, dass bei zunehmender Erwärmung
der Atmosphäre eine Veränderung der atmosphärisch-
ozianischen Klimaanomalie El Niño eintreten könnte.
Gleichzeitig beteuert er, dass man es noch nicht genau sagen
könne und erklärt:”Dazu müssen wir noch einige
El Niños vermessen”, um solche Zusammenhänge ausschließen
zu können.
Die Wissenschaftler sind sich jedoch auch weitgehend einig
darüber, dass El Niño nicht vom Menschen gemacht,
sondern natürlichen Ursprungs ist. Dazu erklärt Dr.
Mojib Latif, dass “El Niño ein Teil des ganz normalen
Chaos im globalen Wettersystem” sei.
Durch diese aufgezählten Ansichten und Vermutungen zu
äußeren Einflüssen auf El Niño, wird
deutlich, dass man keine konkreten, erwiesenen Tatsachen aufweisen
kann, sondern sich vielmehr auf Spekulationen beschränken
muss. Dem heutigen Wissensstand der Wissenschaftler nach, lassen
sich noch keine eindeutigen Beeinflussungen - sowohl positiv
als auch negativ - nachweisen. Deshalb muss man gespannt warten,
was die Zukunft an neuen Erkenntnissen bringt.
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