Kapitel 3.2
Die an der Küste lebenden und vom Meer abhängigen
Organismen
Viele Seevögel (u.a. Guanovögel), Robben und Meeresreptilien
zählt man zu den an der Küste lebenden und sich aus
dem Meer ernährenden Tieren. Man muss diese Tiere aufgrund
ihrer unterschiedlichen Eigenschaften und körperlichen
Beschaffenheiten in verschiedene Gruppen einteilen. Dabei
ist es wichtig zu wissen, welche Art von Nahrung dieser Tiere
benötigen.
Die Guanovögel und die Robben sind am eindeutigsten einzuordnen.
Sie jagen ausschließlich pelagische Schwarmfische, bei
denen sie vor allem Anchovies und pelagische Tintenfische bevorzugen.
Es gibt auch einige Seevögel, die größere Zooplankter
verspeisen. Die Meeresschildkröten hingegen fressen Algen.
Einige Arten der Meeresschildkröten bevorzugen jedoch auch
gemischte Nahrung (Fische und Algen). Die einzige Meeresschildkröte,
die weder Algen noch Fisch frisst, ist die Lederschildkröte.
Sie frisst ausschließlich Quallen. Weiter gibt es Meeresechsen,
die sich auf bestimmte Algen spezialisiert haben, da ihre Verdauungsenzyme
nur diese abbauen können.
Wenn man neben den unterschiedlichen Nahrungsbedürfnissen
die Tauchfähigkeiten dieser Tiere anschaut, so kann man
eine noch differenzierte Aufteilung vornehmen. So halten sich
die meisten Tiere, wie die Guanovögel, Seelöwen und
Meeresschildköten (ausgenommen die Lederschildkröte)
in bis zu 30 Meter Tiefe zur Nahrungssuche auf. Die meisten
der genannten Tiere wären von den physischen Voraussetzungen
in der Lage tiefer zu tauchen. Sie begnügen sich jedoch
mit dem oberflächennahen Wasser, um möglichst wenig
Energie zu verbrauchen. Dieses Verhalten lässt sich jedoch
bloß in normalen und nahrungsreichen Jahren praktizieren.
In El Niño- Jahren müssen diese Tiere ebenso wie
alle anderen ums Überleben kämpfen.
Man hat nun eine grobe Gliederung der am Strand lebenden
und sich aus dem Meer ernährenden Tiere erkennen können.
Einige der Tiere werden nun im folgenden noch genauer beschrieben.
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21.1 Ein Guanotölpel.
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21.2 Ein Guanokormoran.
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Die Guanovögel sind wegen ihren oft meterhohen Kotablagerungen
an den Küsten sehr geschätzt. Sie sind für die
dort lebenden Menschen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der
Guanokot wird als Dünger in der Landwirtschaft bevorzugt
benutzt, da er sehr stickstoff- und phosphatreich ist. Er wurde
früher, als es noch keinen Kunstdünger gab, noch dringender
benötigt. Er findet auch heutzutage noch reißenden
Absatz (besonders bei Bio- Bauern). Interessant ist auch, dass
die Bewohner der peruanisch- chilenischen Küste, an deren
Klippen sich die Guanovögel in besonders großer Population
aufhalten, den Vögeln ihren Namen gegeben haben. Guano
heißt im spanischen Dung, wonach die Guanovögel im
Deutschen Dungvögel heißen müssten. Die Guanovögel
wurden nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen als Dungspender benannt.
Der Guanoabbau reicht bis zu den Inkas zurück, welche als
erste den Guanokot nutzten. Erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts
fand der Guanoabbau im größeren Maße statt.
Es ging in unserem Jahrhundert sogar so weit, dass die Guanovögel
durch die andauernden Störungen vertrieben oder die Brut
zerstört wurde. Dadurch wurden die Kolonien merklich verkleinert,
was zur Folge hatte, dass sich die Guanovorkommen nahezu erschöpften.
Durch anschließend verordnete Schutzmaßnahmen wurden
die Guanovögelbestände wieder stark vergrößert.
Sie wuchsen so sehr an, dass sogar vorspringende Kaps an den
Küsten (puntas) als Nistraum bevölkert wurden.
Die Guanovögel, welche hauptsächlich für die
Guanoproduktion verantwortlich sind, teilt man in drei Arten
auf: Guanokormoran, Guanotölpel und Meerespelikan. Sie
erlangten Ende der 50er Jahre eine Population von über
20 Millionen Individuen, welche zwischenzeitlich durch
El Niño- Ereignisse leicht dezimiert wurde.
Die Guanovögel haben während El Niño- Ereignissen
schwer unter den anormalen Verhältnissen zu leiden. Sie
müssen durch das Abwandern der Fischschwärme wesentlich
tiefer tauchen und verbrauchen so größere Mengen
an Energie, welche sie nicht durch einen üppigen Fang wieder
kompensieren können. Dies ist der Grund, warum viele Guanovögel
wegen El Niño verhungern müssen. Besonders kritisch
war die Situation während des starken El Niños 82/83,
wo der Vogelbestand der drei wichtigsten Arten zeitweise unter
2 Millionen fiel. Es wurde eine Gesamtsterblichkeit aller Altersgruppen
von 72% errechnet. Eine fatale Auswirkung von El Niño,
welche hauptsächlich auf den Nahrungmangel der Vögel
zurückzuführen ist. Weiter wurden ca. 10000 Tonnen
Guano von den sintflutartigen Regenfällen vor Peru ins
Meer gespült.
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22.1 Meerespelikane (groß) und Guanotölpel.
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22.2 Guanokormorane
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Die Robben sind, wie die Guanovögel, von El Niño
betroffen: Sie leiden ebenso unter Nahrungsmangel. Besonders
betroffen sind die Jungtiere, welche noch von der Mutter ernährt
werden, und die älteren Tiere einer Kolonie. Sie können
entweder noch nicht oder nicht mehr so tief und weit tauchen,
wie es nötig ist, um den abwandernden Fischschwärmen
zu folgen. So beginnen sie sehr schnell abzumagern und sterben
nach kurzer Zeit.
Die Jungtiere werden anfangs von ihren Müttern mit immer
kleineren Mengen und fettärmerer Milch versorgt. Dies kommt
daher, dass die erwachsenen Tiere immer weitere Strecken zurücklegen
müssen, um auf pelagische Fischschwärme zu treffen.
Da sie dann einen langen Rückweg vor sich haben,
wird wesentlich mehr Energie verbraucht, was eine geringere
Milchproduktion zur Folge hat. Dies kann sogar so weit
gehen, dass die Mutter alle Energiereserven aufgebraucht hat
und ohne lebenserhaltende Muttermilch zurückkommt. Das
auf seine Mutter wartende Jungtier bekommt diese wesentlich
seltener zu sehen und der große Hunger des Jungen wird
kaum gesätigt. Manchmal kommt es dann vor, dass sich hungrige
Jungtiere an fremde Mütter wenden, von diesen jedoch vehement
abgewiesen werden. Dies gilt nur für die an der südamerikanischen
Pazifikküste lebenden Robbenarten. Zu ihnen zählt
man einige Seelöwen- und Seebärenarten, welche zum
Teil auf den Galapagos- Inseln beheimatet sind, sowie den Juan-
Fernandez- Seebären.
Die Meeresschildkröten haben wie auch die Robben unter
El Niño zu leiden. So zerstörte z.B. der von El
Niño verursachte Hurrikan Pauline im Oktober 1997 Millionen
von Meeresschildkröteneiern an den Stränden von Mexiko
und Lateinamerika. Ähnliche Szenarien spielten sich bei
meterhohen Flutwellen ab, welche mit großer Wucht auf
die Strände krachen und die Eier mit ungeborenen Schildkröten
zerstören. So wurden nicht nur beim El Niño 97/98
die Schildkrötenbestände stark dezimiert, sondern
auch schon bei vorhergegangenen Ereignissen.
Die Meeresschildkröten, welche sich ihre Nahrung aus dem
Meer holen, legen zwischen den Monaten Mai und Dezember
hunderttausende von Eiern an den Stränden ab. Genauer gesagt,
sie vergraben diese im Sand. Sie müssen also in einer Zeit
an den Strand, in der El Niño schon in vollem Gange ist.
Der größte Feind der Meeresschildkröten bleibt
jedoch immer noch der Mensch, welcher die Nester plündert
oder die ausgewachsenen Schildkröten fängt und tötet.
Durch diese Gefahren ist die Existenz der Schildkröten
stark gefährdet. Es erreicht nur noch eine von 1000 Schildkröten
das Fortpflanzungsalter von 8-10 Jahren.
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23. Eine Robbenkolonie an der Küste von
Punta San Juan. Sie müssen in El Niño-
Jahren ums Überleben kämpfen.
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Die beschriebenen Erscheinungen und Veränderungen in
der marinen Tierwelt während eines El Niños zeigen
deutlich, dass El Niño mit seinen Folgen für manche
Organismen existenzbedrohend sein kann. Andere brauchen Jahrzehnte
oder Jahrhunderte lang, um sich von den Auswirkungen El Niños
wieder zu erholen (Korallen). Man kann also sagen, dass El Niño
ebenso großes Unheil in der Tierwelt anrichtet, wie mancherorts
bei den Menschen. Es gibt jedoch auch positive Erscheinungen,
die von El Niño herbeigeführt werden (Pilgermuschelboom).
Es überwiegen aber dennoch die negativen Auswirkungen und
deshalb ist El Niño in der Tierwelt äußerst
unbeliebt.
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