Kapitel 1

Was ist El Niño ?

El Niño ist eine Klimaanomalie, die sich hauptsächlich im Pazifikraum zwischen der Westküste Südamerikas und dem südostasiatischen Raum (Indonesien, Australien) ereignet. Hier kommt es seit mehr als 150 Jahren in zwei bis siebenjährigen Abständen zu Umkehrungen der normalen Wettersituation.
In normalen, nicht von El Niño beeinflussten Jahren bläst der Südostpassat, welcher von den subtropischen Hochdruckgürteln zur äquatorialen Tiefdruckrinne weht und durch die Erdrotation (Corioliskraft) abgelenkt wird, im Bereich des Äquators von Osten nach Westen. So treibt er kühles Oberflächenwasser von der südamerikanischen Küste nach Westen. Durch die Verschiebung der Wassermassen entsteht ein Kreislauf. Dem in Südostasien ankommenden inzwischen erwärmten Oberflächenwasser weicht kaltes Wasser in genau umgekehrter Richtung aus. So bewegt sich kaltes, nährstoffreiches Wasser, welches sich wegen seiner größeren Dichte in tieferen Regionen des Pazifiks befindet, von Westen nach Osten. Vor Südamerikas Westküste gelangt dieses Wasser in den Auftriebsgebieten an die Oberfläche. Deshalb befindet sich dort der kalte und nährstoffreiche Humboldtstrom.
 
 

1. Die Wettersituation in Normaljahren.

 

Dieser soeben beschriebenen Wasserzirkulation ist eine Luftzirkulation (Walkerzirkulation) überlagert. Ein wichtiger Bestandteil dieser sind die Südostpassatwinde, welche in Richtung Südostasien wehen. Der Grund dafür sind die unterschiedlichen Oberflächentemperaturen im tropischen Pazifik. So steigt in Normaljahren die Luft über dem warmem von starker Sonneneinstrahlung erwärmten Oberflächenwasser vor Indonesien auf und es entsteht ein Tiefdruckgebiet in dieser Region. Diese Tiefdruckzone nennt man auch innertropische Konvergenzzone (ITC), da hier Südost- und Nordostpassat  zusammentreffen. Die Winde werden grundsätzlich vom Tief angesogen. So steigen Luftmassen, die am Boden zusammengeströmt (Konvergenz) sind, in einem Tiefdruckgebiet auf.

Auf der anderen Seite des Pazifiks befindet sich in Normaljahren ein relativ stabiles Hochdruckgebiet vor Südamerika (Peru). Die  Luftmassen aus dem Tief werden durch eine hohe Westwindströmung in diese Richtung getrieben. Sie  sinken in dem Hoch ab und strömen am Boden wieder auseinander (Divergenz). Dieses Hoch ist nur deshalb entstanden, weil sich darunter kaltes Oberflächenwasser befindet, welches die Luft zum Absinken veranlasst. Um den Luftstromkreislauf zu schließen, blasen die Passate in östlicher Richtung zum indonesischen Tief.

In Normaljahren befindet sich im südostasischen Raum ein Tiefdrucksystem und vor der Westküste Südamerikas ein Hochdrucksystem. Dadurch entsteht ein enormer Luftdruckunterschied von dessen Größe die Intensität der Passatwinde abhängt. Durch das voranschieben großer Wassermengen durch die Passatwinde ist der Meeresspiegel vor Indonesien um ca. 60 cm höher als vor Peru. Außerdem ist das Wasser dort ca. 10°C wärmer. Dieses warme Wasser ist Voraussetzung für heftige Regenfälle, den Monsun und Wirbelstürme, die in diesen Gegenden häufig vorherrschen.

 

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2.1 Luftdruck und Meeresströmungen in normalen Jahren im Pazifik.

 

Die beschriebenen Zirkulationen gewährleisten, dass immer kaltes und nährstoffreiches Wasser vor der südamerikanischen Westküste ist. Deshalb befindet sich auch dort der kalte Humboldtstrom direkt vor der Küste. Gleichzeitig bedeutet dieses kalte und nährstoffreiche Wasser immer Fischreichtum und ist damit die wichtigste Lebensvoraussetzung für das ganze Ökosystem mit all seinen Tieren (Vögel, Robben, Pinguine usw.) und den Menschen. Denn jene leben an Perus Küste hauptsächlich von der Fischerei.

In einem El Niño- Jahr kommt dieses genau aufeinander abgestimmte System durcheinander. Denn durch das Einschlafen oder Ausbleiben der Passatwinde, an welchem die Südliche Oszillation beteiligt ist, wird der Meeresspiegelunterschied von ca. 60 cm stark verringert. Die Südliche Oszillation ist eine periodische Luftdruckschwankung in der südlichen Hemisphäre, welche natürlichen Ursprungs ist. Sie wird auch als Luftdruckschaukel bezeichnet, die z.B. das Hoch vor Südamerika zusammenbrechen lässt und durch ein Tief ersetzt, welches sonst in Südostasien für unzählige Regengüsse sorgt. So findet eine Umkehrung der Luftdrucksituation statt, die allmählich erfolgt.

Dieser Vorgang findet in einem El Niño- Jahr statt. Die Passatwinde erschlaffen durch das schwächer werdende Hoch vor Südamerika. Der Äquatorialstrom wird nicht wie gewöhnlich von den Passatwinden von Osten nach Westen getrieben, sondern wird rückläufig. Es findet ein Zurückschwappen der Warmwassermassen von Indonesien in Richtung Südamerika statt. Dies geschieht durch die äquatorialen Kelvinwellen (Kelvinwellen Kapitel 1.2). Die Warmwasserschicht über der sich das südostasische Tief befindet, wandert so schrittweise über den Pazifik. Sie erreicht nach 2-3 monatiger Wanderschaft um die Weihnachtszeit die südamerikanischen Küstenregionen. Dies ist die Ursache für die große Warmwasserzunge vor Südamerikas Westküste, welche für die verheerenden Katastrophen in einem El Niño- Jahr verantwortlich ist.

Wenn sich diese Situation eingestellt hat, dann hat sich die Walkerzirkulation umgekehrt. Sie sorgt jetzt dafür, dass Luftmassen nach Osten befördert werden, dort über dem erwärmten Wasser aufsteigen (Tief) und durch hohe Winde östlicher Richtung wieder nach Südostasien getrieben werden. Nun beginnen sie dort über dem kalten Wasser (Hoch) wieder abzusinken. Diese Zirkulation wurde nach ihrem Entdecker Sir Gilbert Walker benannt. Das Zusammenspiel zwischen Ozean und Atmosphäre beginnt sich nun gegenseitig hochzuschaukeln und ist heutzutage recht gut erforscht. Man kann aber dennoch den genauen Entstehungsgrund des El Niño- Phänomens nicht erklären.

In El Niño- Jahren befindet sich durch diese Zirkulationsanomalien vor Australien und Indonesien kaltes, hingegen vor Südamerika warmes Oberflächenwasser, welches den kalten Humboldtstrom verdrängt. Anhand der Tatsache, dass sich hauptsächlich vor Peru und Ecuador bis zu 8°C wärmeres Oberflächenwasser befindet, lässt sich das El Niño- Phänomen am deutlichsten erkennen. Diese erhöhte Wasseroberflächentemperatur löst anschließend eine Reihe von folgenschweren Naturkatastrophen aus.
So finden die Fische durch diese grundlegende Veränderung keine Nahrung mehr, da ein Algensterben stattgefunden hat und ziehen in kältere, nährstoffreichere Regionen. Durch diesen Fischrückgang wird die natürliche Nahrungskette unterbrochen und die davon abhängigen Tiere müssen verenden oder suchen sich ebenfalls einen neuen Lebensraum. Die südamerikanische Fischindustrie ist besonders stark vom Fischrückgang und damit von El Niño betroffen. Sie bricht als Folge größtenteils zusammen.
 
 

2.2 Die veränderte Wettersituation in einem El Niño- Jahr.

 

Durch die starke Erwärmung der Meeresoberfläche und dem damit verbundenen Tiefdruckgebiet vor Peru, Ecuador, Chile bilden sich Wolken und es kommt zu sintflutartigen Regenfällen, welche Erdrutsche in diesen Ländern auslösen. Die angrenzende nordamerikanische Küste ist durch vermehrte Stürme und starke Niederschläge ebenso von El Niño betroffen. Vor Mexiko können wegen der warmen Wassertemperaturen vermehrt gewaltige Hurrikans entstehen, die riesige Schäden anrichten. So wie z.B. der Hurrikan Pauline im Oktober 1997.

Im westpazifischen Raum findet genau das Gegenteil statt. Hier herrscht starke Dürre, wodurch Mißernten entstehen. Durch die lang anhaltende Trockenheit geraden zusätzlich die Buschfeuer außer Kontrolle und gewaltige Waldbrände verursachen eine dichte Smogwolke über Indonesien. Dies geschieht, weil sich der Monsun, der gewöhnlich die Feuer löscht, um einige Monate verspätet oder mancherorts ganz ausbleibt.

Das El Niño- Phänomen betrifft nicht nur den pazifischen Raum, sondern es sind  auch andernorts Folgen bemerkbar, so z.B. in Afrika. Dort machen im Süden des Landes starke Dürreperioden den Menschen zu schaffen. In Somalia (Südostafrika) hingegen werden ganze Dörfer von sintflutartigen Regenfällen weggespült. El Niño ist demnach ein globales Klimaphänomen.
 
 

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3.Luftdruck und Meeresströmungen in einem El Niño- Jahr im Pazifik.

 

Diese Klimaanomalie bekam ihren Namen von den stark betroffenen peruanischen Fischern, welche sie als erstes wahrgenommen haben. Sie nannten dieses Klimaphänomen in sarkastischer Weise "El Niño", was auf spanisch "Christkind" oder "Knabe" heißt, da El Niño um die Weihnachtszeit am stärksten ist. El Niño verursacht unzählige Naturkatastrophen und bringt insofern Peru wenig Gutes.

Diese natürliche Klimaanomalie ist aber nicht von uns Menschen gemacht, denn sie treibt ihr Unheil wahrscheinlich schon seit etlichen Jahrhunderten. Seit der Entdeckung Amerikas vor über 500 Jahren durch die Spanier sind El Niño- typische- Ereignisse durch schriftliche Überlieferungen bekannt. Wir Menschen interessieren uns hingegen erst seit 150 Jahren genauer dafür, denn seit dieser Zeit wird El Niño das erste Mal bewusst wahrgenommen. Wir Menschen mit unserer modernen Zivilisation können dieses Phänomen unterstützen, es aber nicht auslösen. So wird vermutet, dass El Niño durch den Treibhauseffekt (verstärkter Ausstoß von Kohlendioxid) in kürzeren Abständen und intensiver auftritt. El Niño wird jedoch erst seit einigen Jahrzehnten intensiv erforscht, so dass noch etliches unaufgeklärt ist (siehe dazu Kapitel 6).
 
 

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